75 Jahre Blau-Weiß Mintard –
ein ganz persönlicher Rückblick auf einen ganz besonderen Verein.
Als Blau-Weiß Mintard 1950 das Tor zur Zukunft aufschlug, dachte noch keiner daran, dass 75 Jahre später ausschließlich der runden Lederkugel aus Kunststoff hinterhergelaufen wird. Als ich 1979 als heranwachsender Knirps, nach zähen Verhandlungen, ablösefrei von den Icktener Pigs den Weg in die Ruhraue fand, hatte der Verein schon eine bewegte Geschichte hinter sich.
Vom Pingpong zur Pille – wie Mintard den Ball wechselte
Als 1950 die Gründungsmitglieder Willi Steins, Willi Marten, Hans Becüwe, Werner Kührlings und Hermann Decker die DJK Blau-Weiß Mintard aus der Taufe hoben, träumten sie nicht von Flanken, sondern von Topspins. Allesamt leidenschaftliche Tischtennisspieler, hatten sie sich gerade ihre erste hochwertige Platte zusammengespart – ein echtes Schmuckstück für damalige Verhältnisse.
Auf der Suche nach einer Spielstätte bekamen sie vom damaligen Erzbischof Henczyca den legendären und später skandalumwobenen Pfarrsaal von St. Laurentius angeboten. Die Sache hatte allerdings einen Haken: Mitglied werden durfte nur, wer im Sinne der DJK in katholischer Gemeinschaft Sport treiben wollte.
Bis weit in die 80er hinein glaubte ich, DJK stünde für „Dribbeln, Jubeln, Kaltgetränke“. Und ich war nicht allein. Auch heute wissen nur wenige, dass DJK für „Deutsche Jugendkraft“ steht – ein Name, der nicht nur nach Bewegung klingt, sondern auch nach Verantwortung. Ein Blick in die Satzung lohnt sich. Ehrlich.
Vom Pfarrsaal zum Platz – Mintard macht Meter
Zwischen Holzregalen und Jubelrufen hat sich der Verein schnell wandlungsfähig bewiesen. Aus Tischtennis-Tempo wurde Fußball-Zeitlupe, aus kurzen Schlägen lange Pässe, aus dem Pfarrsaal-Panorama ein echtes Spielfeld. Den Wandel verdanken wir vor allem dem ersten Präsidenten Hermann Decker, der 1960 kurzerhand den „Center Court“ aus dem Boden stampfte – ganz ohne Bagger, dafür mit viel Herzblut.
Bei hochsommerlichen Temperaturen rückte eine Kolonne fußballverrückter Mintarder Jugendlicher mit Handrechen an. Gärtner Willi Marten streute mit geübter Hand über sieben Zentner Grassamen aus – mit so viel Hingabe, dass der Platz bis zur Kunstrasen-Ära für so manchen Gegner aus einem normalen Sprint ein Rutschabenteuer machte.
Am 15. September 1962 war es dann soweit: Das erste Fußballspiel in der Ruhraue gegen Schwarz-Weiß Mülheim – und Mintard gewann mit einem furiosen 7:3. Der Startschuss für eine Fußballgeschichte mit mehr Höhen als Tiefen, Freundschaften und Anekdoten, die man besser nicht alle auf einmal erzählt.
Politik auf dem Platz – Mintard mischt mit
Eine dieser unglaublichen Geschichten wurde mir schon 1964 bei meiner Geburt in die Wiege gelegt. Mintards Fußballer hatten damals mehr Einfluss auf die Stadtdirektorwahl in Kettwig als mancher Parteivorstand. Bei einem Tennenfest am Schloss Hugenpoet kam es zum legendären Gespräch zwischen Hermann Fenten (Mintarder SPD-Mitglied) und dem Kettwiger SPD-Mann Grimberg.
Grimberg wettete 1000 DM für die Vereinskasse, dass Fenten es nicht schaffen würde, den traditionell CDU-treuen Bezirk Mintard in eine SPD-Hochburg zu verwandeln. Fenten nahm die Wette an – und startete einen Wahlkampf, der selbst die Eckfahnen erröten ließ: auf dem Sportplatz, in den Kneipen, bei Mannschaftssitzungen – überall wurde diskutiert, überzeugt und geworben.
Das Ergebnis? Die SPD wurde stärkste Partei in Mintard, Grimberg Stadtdirektor, und Ewald Schroer – Mintards ehemaliger Kassierer – zog in den Stadtrat ein. Die CDU sprach von Wahlbetrug, klagte vor dem Oberlandesgericht Münster – und verlor. Mintard hatte nicht nur politisch gewonnen, sondern auch 1000 DM mehr in der Kasse. Ein echter Volltreffer.
Der sportliche Aufstieg – Von Stollenschuhen und Stilfragen
In den folgenden Jahren entwickelte sich Blau-Weiß Mintard immer mehr zur gefragten Adresse für Fußballer, die nicht nur über Stollenschuhe verfügten, sondern auch über ein ausgeprägtes Gespür für einen familiären Umgang. 1972 wurde sogar eine Frauenabteilung ins Vereinsleben integriert – allerdings wurde dort nicht gekickt, sondern geturnt. Bei der Turnriege um Maria Dippel, Karin Klasen und Ulla Schemken war jeder Sprung ein Hüpfer ins Rampenlicht, doch sportlicher Ehrgeiz stand eher auf dem Stundenplan der Herren.
Dort ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten – trotz widriger Umstände. Obmann-Legende Willi Schemken ignorierte tapfer die immer weiter absackenden Tore und den stetig wachsenden Erdhügel vor den Torlinien. Gespielt wurde mit Bällen, die mehr Wasser aufsogen als jeder handelsübliche Schwamm und deren Rundheit bestenfalls philosophisch zu ergründen war.
Ende der 70er war es dann endlich soweit: Nach Aufstiegen aus den Kreisligen C und B und erfolgreichen Jahren in der Kreisliga A wurde am 20. Mai 1979 – zwei Spieltage vor Schluss – der Aufstieg in die Bezirksklasse gefeiert. Ganz ohne Tricks aus der Zaubertüte. Die Mannschaft von Trainer Karl-Heinz Heymann gewann 5:2 gegen Aufwärts Heisingen, und für mich waren schon im ersten Jahr meiner Vereinszugehörigkeit die ersten Mintarder Legenden geboren.
Da wären zum Beispiel die Mittelfeld- und Sturmarchitekten Matthias und Michael Schorn, deren Pässe eher Bauplänen als Zufallsprodukten glichen. Ramb(oh) Peter Vollbert, der mit jedem Zweikampf das Gras neu verlegte. Oder Stratege Gerd Heppner, dessen Stimme – auch später als Trainer – mir mehr Orientierung gab als jeder Kompass. Nicht zu vergessen: Comedian Rolle Kamminga im Tor, der nach dem Motto „Alles, was ich nicht halte, ist unhaltbar“ sogar Andy Brehme zur Verzweiflung trieb.
Und dann wären da noch Pimo Renczewitz – unser Diego – und K.D. Wurbs zu nennen. Pimo ergaunerte nach dem Motto „Foul ist, wenn der Diego fällt – nicht wenn der Schiri pfeift“ eine beachtliche Anzahl Elfmeter. Klaus-Dieter Wurbs, später langjähriger Geschäftsführer, machte sich als Grätschenperfektionist einen Namen: Er legte sich so gekonnt vor den Ball, dass Gegner und Zuschauer applaudierten – und der Ball sich entschuldigte.
Auch in den folgenden Jahrzehnten – geprägt von kurzen Ausflügen in die Kreisliga A – tummelten sich in der Bezirksliga großartige Fußballer mit Kultstatus. Viele von ihnen sind heute noch in den Ü-Mannschaften aktiv. Namen wie Thorsten Eichholz, Arndt und Torben Ridder, Büffel Rochholz, Frank Burchhardt, Holger Heppner, die Walker-, die Bönisch- und Skrobisch-Brüder, der Linde, der Schubert, der Graßl, der Loth und natürlich unser Schlagergott Klaus Böhs – sie alle gehören zur DNA dieses Vereins, genau wie diese, die hier namentlich nicht genannt sind. Die Liste der Mintarder Legenden ist lang. Und wächst weiter.
Seit 2019 spielt Blau-Weiß Mintard nun in der Landesliga. Nach dem Aufstieg mit dem Erfolgstrainer Marco Guglielmi dachte ich, das wird ein kurzes Intermezzo. Doch obwohl die Trainer, die als Nachfolger von Guglielmi in der Aue tätig waren, oft in die Wüste geschickt wurden wie auf Schalke, hat sich der Verein in der Liga als Konstante etabliert. Unter den Übungsleitern mischte sich sogar ein 16-facher Nationalspieler, WM-Teilnehmer und Dschungelcamper: David Odonkor. Leider war sein Glanz an der Seitenlinie so flüchtig wie ein leichter Sommerregen. Mittlerweile ist Guglielmi wieder als Coach der Mintarder Landesligamannschaft zurückgekehrt. Konstanz und „Wir-Gefühl“ sollen endlich wieder im Vordergrund stehen.
Die einzige Konstante an der Seitenlinie heißt Daniel Molitor – liebevoll „Molle“ genannt. Mal Cheftrainer, mal Interimslösung, mal Co-Trainer, mal Hühnerbaron – aber immer ein Anpacker mit Herz und Humor, ein wahrer Mintarder halt.
Nicht vergessen werden dürfen die Seniorenteams neben der Ersten. Spätzünder wie „Fox in the Box“ Matthias Lierhaus schossen sich über die 2. und 3. Mannschaft bis zur Torjägerkanone in der Landesliga. Die Zweite und Dritte der 90er und 2000er Jahre waren Sprungbrett für die Erste und Auffangbecken für in die Jahre gekommene, aber noch lauffähige Kicker. Die „Dritte“ schaffte es dank „krassem“ Teamgeist bis in die Kreisliga A – und war dort sogar Tabellenführer. Allerdings nur am ersten Spieltag nach einem 5:1 gegen die Sportfreunde Niederwenigern. Der Abstieg im selben Jahr erfolgte aus vereinsstrategischen Gründen – in einem Entscheidungsspiel, denn sonst hätte Mintard nach dem Abstieg der Ersten gleich drei Kreisliga-A-Mannschaften aufgeboten. Und das wäre für die Sponsoren zu viel des Guten gewesen.
Zum Schluss noch eine Huldigung an unseren Globetrotter Oli Bönisch. Mit viel Engagement und spanischer Mentalität im Blut hat er in den letzten Jahren im Ü40- und Ü50-Bereich lauf- und spielfähige Truppen geformt, die Titel abräumten, bei der Deutschen Meisterschaft für Furore sorgten und mit ihrer Positivität das Vereinsleben nachhaltig prägen. Hut ab, lieber Oli!
Die Mintarder Jugend – Früher groß, bald wieder größer
Es war einmal – und das ist kein Märchen – da gehörte die Jugendabteilung von Blau-Weiß Mintard zu den größten im gesamten Essener und Mülheimer Stadtgebiet. Und als Krönung gab’s den Sepp-Herberger-Gedächtnispreis obendrauf. Ein Ritterschlag für alle, die mit Herz, Hirn und Leidenschaft dabei waren. Das waren goldene Zeiten!
Der Boom kam nicht von ungefähr: Ein Trainerstab, der mehr Lizenzen hatte als ein Streamingdienst Serien, ein Jugendvorstand mit Visionen und jede Menge Action abseits des Platzes. Internationale Turniere in den Niederlanden und Finnland, Abschlussfahrten bis nach Spanien und sogar in die USA – Mintard war unterwegs wie die Nationalelf, nur mit mehr Elan und weniger Presse.
Und dann das legendäre Mintarder Jugendturnier: ein jährliches Highlight, das Spieler, Eltern, Verantwortliche und Zuschauer gleichermaßen elektrisierte. Mannschaften aus Nah und Fern lobten die Lage der Plätze, die Organisation – und vermutlich auch das Catering. Geld für die Kasse blieb auch noch übrig. Fußballschulen prominenter Ex-Profis nutzten die Ferienzeiten für Camps, bei denen nicht nur der Ball rollte, sondern auch die Begeisterung.
Leider liegt diese Glanzzeit schon ein paar Jahre zurück. Aber: Wir sind wieder auf Kurs! Das erste Jugendturnier nach Corona war ein Erfolg. Mit viel Frauenpower, frischen Ideen und dem unerschütterlichen Mintarder Motto: Talente finden, fördern – und öfter gegen den Ball lachen als gegen die Wand.
Frauenfußball – Von der Euphorie zur Erfolgsgeschichte
Und dann war da noch diese Geschichte, die keiner für möglich gehalten hätte – außer vielleicht die Mütter. Ich durfte sie von Anfang an miterleben, denn meine Tochter Jule war mittendrin statt nur dabei.
Die Damenfußball-Europameisterschaft 2009, die Deutschland gewann, entfachte ein Feuer bei jungen Mädchen und Frauen und auch in Mintard erkannte man den Trend der Zeit. 2011 wurde die Mädchenabteilung gegründet. Mittelfeldlegende und Ballvirtuose Thorsten Eichholz, Vater fußballverrückter Drillinge, bekam grünes Licht vom Vorstand – und plötzlich standen 25 kreischende Mädchen auf dem Platz, flankiert von ebenso enthusiastischen Eltern an der Bande.
„Wir haben dann zwei Mannschaften gebildet, die U13 und U15“, erinnert sich der Frauenversteher Thorsten. Beide Teams starteten direkt in der Kreisliga. Eichholz baute in kürzester Zeit ein starkes Team, eine funktionierende Infrastruktur und eine engagierte Jugendarbeit auf. Die Leistungskurve zeigte steil nach oben.
Die U15 wurde bereits in der zweiten Saison 2012/2013 Erste in der Niederrheingruppe. Ein Jahr später stieg die U17 in die Niederrheinliga auf – und hielt sich dort stolze sechs Jahre. Die Damenmannschaft selbst stieg insgesamt dreimal auf. Der dritte Aufstieg in die Verbandsliga 2020/21 wurde durch Corona vereitelt – Mintard war zu dem Zeitpunkt Tabellenführer, die Saison wurde abgebrochen. Bitter, aber nicht das Ende.
2023 gelang dann der Aufstieg in die Niederrheinliga – und der Kreispokalsieg bei den Mülheimer Hallenmeisterschaften wurde gleich mit eingesackt. Doch während die Damen jubelten, schrumpfte das Angebot im Jugendbereich zusehends. Seit Corona gab es kein Kinder- und Jugendangebot mehr im Mädchenfußball – und auch die Damen blieben nicht verschont.
Die Kehrseite des Erfolgs? Begehrlichkeiten. Große Traditionsvereine entdeckten die Mintarder Talente und lockten sie weg. Dazu kamen lange, nicht unterhaltungssteuerpflichtige Auswärtsreisen, Studium, Beruf und Samstagabendpläne – die Spielerdecke wurde dünner als ein Trikot im Winter. Und dann passierte das Undenkbare: Das Frauenteam wurde für die Saison 2024/2025 abgemeldet.
Aber: Mintard wäre nicht Mintard, wenn nicht irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels flackern würde. Ein Comeback des Frauenfußballs in der Landesliga ist in Planung – mit Spiel, Spaß und einer ordentlichen Portion Teamgeist. Mintard-Style eben.
Vereinsleben – Mintard, wo Geschichten laufen lernen
Blau-Weiß Mintard ist weit mehr als nur ein Ort für Trainingseinheiten und Wettkämpfe. Denn abseits des Platzes wurden Geschichten geschrieben, die heute noch beim donnerstäglichen Expertenplausch mit leuchtenden Augen und vollem Herzen erzählt werden. Sie zeigen: Kameradschaft und gemeinsame Erinnerungen sind das Fundament unseres Vereins – und das nicht nur in sportlicher Hinsicht mit den zahlreichen Sportmomenten.
Apropos Sportmomente – Von Wattenscheid bis Seychellen
An einige Highlights erinnere ich mich besonders gerne. Da war das Spiel 1991 gegen die Bundesligatruppe von der SG Wattenscheid 09 – mit Trainer Hannes Bongartz und Stürmer Souleyman Sané, dem Vater von Leroy. Oder das exotische Duell gegen das Nationalteam der Seychellen im Jahr 1993 – Mintard goes international!
Und dann natürlich das legendäre Pfingstturnier des niedersächsischen Lüttje-Lage-Vereins SV Bokeloh. Der Holzbockpokal wanderte sieben Jahre in Folge nach Mintard – dank unseres Allstar-Teams und vermutlich auch dank der „hochprozentigen“ Turnierverpflegung. Als Dank für die Gastfreundschaft überreichten wir beim Abschiedsfrühschoppen im Vereinsheim dem Hamburger Zoo Hagenbeck ein „Reh per Bahn“(Reeperbahn) – zur Selbstabholung am Hamburger Hauptbahnhof. Ein Moment für die Ewigkeit, der heute vermutlich mit dem Grimme-Preis im Fernsehen dekoriert würde – oder wenigstens mit einem Sonderpreis für Werner „Adler“ Mathis seinen Wortwitz.
Apropos Fernsehen – Mintard auf Sendung
Ein besonders fleischwurstlastiger Moment war die sensationelle Fahrt zum Deutschen Sport Fernsehen. Dort traten wir in der Münchener TV-Doppelsendung „Power Play“ an – moderiert von Stephan Lehmann – heute Stadionsprecher bei Bayern München. Zwei Mintarder Teams kämpften sich durch Quizrunden und Actionspielchen, scheiterten aber leider kläglich am Millionengewinn. Deshalb bleiben die teilnehmenden Quizer an dieser Stelle unbenannt. Die rund 60 mitgereisten Fans waren enttäuscht, aber immerhin: Busfahrer Jürgen, bekannt für seine spontane Tiefschlafphasen während der Fahrt, fand den Weg zurück nach Mintard unfallfrei – ganz ohne Navi. Ein echtes Wunder der Orientierung.
Jürgen tauchte später noch einmal auf – als „Unbekannter im Sack“ bei einer Weihnachtsfeier im Programm der Ruhraugen.
Apropos Weihnachtsfeiern – Sektbar, Comedy und Kontakthof
Ja, die Weihnachtsfeiern hatten es in sich. Besonders die Jahre im rappelvollen Pfarrheim sind unvergessen. In der Knispelkammersektbar im ersten Stock wurde der Mintarder Stammbaum regelmäßig liebevoll erweitert – manchmal sogar spontan.
Das Programm der Ruhraugen sorgte über viele Jahre für beste Unterhaltung und satirische Einblicke ins Vereinsleben. Unvergessen: Billy Werner und Michael Bartels als Baccara-Duo, das Wettessen zwischen Maik Egger und Alla Tack – Wem zuletzt von gebrannten Mandeln schlecht wird, übernimmt die vakante Stelle des 2. Obmanns und die Live-Schaltung zur Mutter von Roman Gummert nach Hause.
Auch die Feiern im Petersdom(hof) zu Kettwig, im Mülheimer und Mintarder Wasserbahnhof sowie in der Nähe des Oberbayern waren und sind legendär. Mintard weiß eben, wie man Feste feiert – mit Herz, Humor und einem Hauch Wahnsinn.
Apropos Oberbayern – Mintard auf Malle
Mit „Oberbayern“ verbinde ich nicht unbedingt Alpenpanorama, sondern vielmehr die legendären Mannschaftstouren an den Ballermann nach Mallorca. Egal ob der DJ am Strand oder der DJ in der Disse – beide verwandeln jeden Schritt in eine Einladung zum Mitgröhlen. Flüssige Leckereien fließen in die von Schlafentzug gezeichnete Körper, und jeder Schluck macht die Welt ein kleines bisschen frecher, fröhlicher – und das auf angenehm charmante Weise.
In den Glanzjahren ging es mit bis zu 60 Reiselustigen alljährlich in das berühmte, ruhige Fischerdorf an der Playa – bekannt für seine kulturellen Beiträge zur deutschen Tradition des guten Benehmens. Und während die letzte Nacht den Tag ablöst, bleibt die Gewissheit: Man(n) kommt wieder. Sei es wegen des zollfreien Einkaufs von neuen Designer-Brillen, Designer-Uhren oder Hüten – oder weil dort Geschichten entstehen, die ein ganzes Jahr lang auf dem Sportplatz weitererzählt werden. Für alle mit Erinnerungsausfall oder einsetzender Demenz gibt es im Spätsommer eine wunderbare visuelle Aufbereitung beim Veterano-Treff. Regisseur Thomas „Pych“ Schweppe stellt jährlich einen Kurzfilm vor, der es bislang noch nicht bis zu den Kunstfilmfestspielen geschafft hat. Vielleicht auch besser so…..
Apropos Sportplatz – vom Tennenfeld zum Plastikplatz
Unsere gepflegte Anlage – ein besonderer Dank an Willi S. und Manni S.! – genießt weit über die Grenzen Mintards hinaus größte Anerkennung. Und das nicht erst seit dem Kunstrasen. Begonnen hat alles mit einem Tennenfeld, dem legendären „Center Court“. Es folgte der Trainingsplatz mit Flutlicht, der im Winter dank seines mineralhaltigen Heilschlamms eher zur Kur als zum Kicken einlud. Später wurde er als letzter Sportplatz Mülheims in einen Ascheplatz umgewandelt – ein echtes Relikt mit Charakter und heute kostbarer Parkraum.
Mit der Gründung zahlreicher neuer Mannschaften kam der dritte Rasenplatz hinzu. Der Center Court selbst war zeitweise von so vielen Maulwurf-Clans (Morton war der Chef und immer in gutem Kontakt mit dem Ruhrauge) untertunnelt, dass das Pariser Abwassernetz neidisch wurde. Unsere Grünflächen-Gurus versuchten regelmäßig, die Schaufelkönige beim Einkellern von Pappelresten zu erwischen – leider meist vergeblich. Erst der Bau des Kunstrasenplatzes beendete die Dynastie der Unterirdischen und machte ganzjähriges Fußballvergnügen möglich.
Apropos Vereinsheim – Manni zapft, es schmeckt
Angezapft ist! Im April 1992 war Willis Vereins-Kiosk Geschichte. Das neue Vereinsheim wurde eröffnet – und avancierte zur Anlaufstelle für den gepflegten Untrunk nach dem Sport, für Mitgliederversammlungen und für Feste mit Seltenheitswert. Zunächst in Eigenregie, später mit Pächtern, deren Ausdauerwerte eher für Kurzstrecken geeignet waren, gelang schließlich der ganz große Coup: die Verpflichtung von Manfred Sonntag.
An einem Samstag wurde mit Sonntag der Jahrhundertvertrag unterschrieben – Der ehemalige Podium-Wirt, besser bekannt unter dem Künstlernamen „Pomfred, die Krake, der Immergutgelaunte“ kredenzt mit viel Liebe gezapfte Gerstenkaltschalen, legendären Grünkohl mit nikotinhaltigem Würzcharme und zu Beginn auch Frik“haar“dellen aus Eigenanzucht. Die krakenartigen Fingerspiele und spitzfindigen Sprüche am Zapfhahn machen Manni und das Vereinsheim am Ruhrradschnellweg zur Institution – weit über Mintard hinaus bekannt.
Wie man hört, steht demnächst die Einführung eines bargeldlosen Zahlsystems namens „Manni-Pay“ bevor – das Ende der Deckelwirtschaft naht. Digitalisierung auf Mintarder Art.
Ich könnte noch viele weitere Highlights aufzählen: die inoffizielle Mintarder Meisterschaft zu Saisonbeginn – das Juxturnier mit Kultstatus. Oder der Franky’s SuperCup, der als Vorbereitungsturnier längst zur festen Größe geworden ist. Der Bau eines Karnevalswagens samt Umzug in Kettwig, Trainingslager, Jugendübernachtungscamps, Sponsorenläufe, Kegelabende etc. – Mintard live, wo immer man hinschaut.
Und dann ist da noch unsere Vereinshymne, komponiert vom Präsidenten Christian de Nocker – ein musikalisches Denkmal, das bei jedem Heimspiel und auch fernab von Mintard erklingt. Unvergessen bleibt auch die Feier „50 Jahre Blau-Weiß Mintard“ im großen Festzelt mit vielen geladenen Gästen – ein Fest wie der Verein selbst: herzlich, laut und voller Geschichten und Auftritten.
Ich blicke zurück auf einen Verein, bei dem ich als Spieler aller Mannschaften, als Trainer, als Vorstandsmitglied – und ja, auch als Hooligan – immer treu geblieben bin. Und das bis heute nicht bereut habe. Blau-Weiß Mintard ist kein Verein wie jeder andere. Es ist ein Lebensgefühl.
Das Hochwasser – Mintard unter Wasser, aber nicht unterzukriegen
Nicht unerwähnt lassen möchte ich zum Schluss ein Ereignis t, das die Existenz unseres Vereins ernsthaft bedrohte. Den 14. Juli 2021 wird wohl kein Mintarder als Sommeridylle in Erinnerung behalten. An diesem Tag traf eine verheerende Flutkatastrophe große Teile des Landes – besonders den Westen. Auch unser Vereinsgelände, idyllisch gelegen unweit der Ruhr, wurde Opfer der Wassermassen.
Zwar hatten wir seit Vereinsgründung immer mal wieder mit Hochwasser zu kämpfen – meist in den Wintermonaten, wenn die Ruhr ihre Launen zeigte. Doch dieses Ausmaß war beispiellos. Die gesamte Sportanlage versank unter 1,5 Metern Wasser. Fische tummelten sich in den Tornetzen, als hätten sie das Kleinfeld für sich gepachtet. Plätze, Kabinen, Vereinsheim – alles wurde nahezu vollständig zerstört.
Doch was folgte, war keine Resignation, sondern eine Welle der Solidarität, die größer war als jede Flut. Menschen aus dem Ruhrgebiet, befreundete Vereine und unzählige blau-weiße Helferinnen und Helfer rückten an. Sie schufteten, räumten aus, schrubbten, wuschen, bauten auf – und schenkten Blau-Weiß Mintard ein neues Kapitel.
Heute stehen wir nicht nur wieder auf dem Platz – wir stehen besser da als je zuvor: mit einem neuen Kunstrasenplatz, einem komplett renovierten Kabinentrakt, einem neuen Vereinsheim und einem fast fertiggestellten zusätzlichen Gebäude. Aus der Katastrophe wurde ein Neuanfang.
75 Jahre Blau-Weiß Mintard – mein Fazit
Was einst mit einer Tischtennisplatte begann, ist heute ein Verein mit Herz, Humor und Haltung. Blau-Weiß Mintard hat sich längst vom Geheimtipp zum festen Bestandteil der regionalen Fußballlandschaft gemausert – und das mit einer Mischung aus Bodenständigkeit, Leidenschaft und einem Augenzwinkern.
Das Jubiläum verbindet: eine Geschichte, die nach Zukunft brennt und dabei unvergänglich klingt. Die Vereinschronik wird weiter geschrieben – und jede Seite erzählt von mehr Toren, mehr Lachen, mehr Gemeinschaft. Von Menschen, die nicht nur kicken, sondern auch anpacken, mitdenken und mitfeiern.
Ein Hoch auf 75 Jahre voller Emotionen, Erfolge und Erlebnisse. Ein Prost auf viele weitere Jahre – mit Toren, Geschichten und den besten Menschen, die ein Verein sich wünschen kann. Blau-Weiß Mintard – gestern Kult, heute Herz, morgen Legende.